5 Tage 95 Kilometer auf dem Heidschnuckenweg
- Julia
- 7. Aug. 2022
- 7 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 4. Okt. 2022
So eine Tour braucht viel Vorbereitung. Das war mir auch klar. Mit der groben Planung habe ich schon vor über einem Jahr gestartet. Aber über eine Packliste und eine grobe
Essensplanung ging es nicht hinaus.

So packte ich meinen Rucksack, welcher mit 3 Litern
Wasser, Zelt, Rucksack (welche eine unmögliches Packmaß für so eine Tour haben), meine Kamera und einigem sonstigen Zeug gut 17 kg wog. Dieses Gewicht sollte ich noch bereuen und im Laufe der Tage fiel mir auf, was ich auch alles hätte zuhause lassen können.
Aber so machte ich mich auf den Weg zum Bahnhof und fuhr erstmal bei Nieselregen nach Hamburg Neuengraben. So richtig motiviert war ich bei diesem Wetter noch nicht. In Neuengraben dann den ersten Stempel besorgt und den Weg in die Heide gesucht. Die Ausschilderung war schlichtweg nicht vorhanden. Es dauerte gute 5 km, bis die ersten Hinweise zum Heidschnuckenweg auftauchten. Auf diesen ersten 5 Kilometern durch die Fischbekerheide sah ich die erste (leider auch einzige) Schafherde und bekam einen ersten Eindruck der Landschaft, die mich in den kommenden Tagen erwarten würde. Auf die Heide folgte Wald, mit vielen umgestürzten Bäumen.
Langsam machten sich Rückenschmerzen bemerkbar, die mit jedem Kilometer mehr wurden. Nach ca. 20 gewanderten Kilometern suchte ich mir dann ein halbwegs akzeptables Plätzchen zum nächtigen. Die Sonne schien und das Nudelwasser kochte. Die erste Nacht draußen war verdammt kalt. Mitten in der Nacht zog ich über meine zwei Pullover noch eine Jacke. Es konnte nur besser werden.
Am Morgen könnte man fast sagen, ich hätte verschlafen. Aber erstmal ein Kaffe kochen, Zelt antrocknen und Sachen zusammenräumen. Zum Glück war es kein belebter Weg, so kam nur eine Frau mit zwei Hunden vorbei, während ich mir mein Müsli schmecken ließ.
Gegen Mittag erreichte ich dann Buchholz in der Nordheide. In der Touristinfo wurde ich gut mit Verpflegung und Souvenirs ausgestattet und machte mich auf den weiteren Weg durch die brütende Sonne. Naja, der Weg ging nicht weit. Zur Mittagspause setzte ich mich an einen Teich in Buchholz. Der schwere Rucksack zwang mich zur Pause. Aber es waren schon 10km gelaufen an dem Tag.
Weiter ging es durch Wald und Felder, wo mich umgestürzte Bäume erneut vom Weg abbrachten. Aber das vertraute weiße "H" auf schwarzem Grund erschien schon bald wieder vor mir. So lief der Weg weiter in die Buchholzer Heide, auf den Pferdekopf. Dort schaute ich mich schon nach einem schönen Platz für mein Nachtlager um.
Aber zunächst noch ein wohlverdientes Abendessen im Café im Schafstall. Wie alle Menschen mich anschauen und versuchen unbemerkt über mein Gepäck zu reden. Ja, ich trage diesen Rucksack wirklich selbst und ja, ich als junge Frau gehe hier alleine wandern. Trotz der neugierigen Blicke genoß ich mein Abendessen (Heidschnuckenburger) in diesem wirklich schönen Ambiente. Doch bevor es dunkel wurde, musste noch das Nachtlager aufgeschlagen werden. Also zurück in die Heide, etwas vom Hauptweg ab auf den kleineren Weg, der mich weiterführen sollte. Zwischen einer Bank mit perfekter Aussicht und einer Tanne bot sich der ideale Platz für ein Nachtlager.
Am dritten Tag wurde ich vom Gezwitscher der Vögel geweckt. Noch bevor die Sonne

aufging. Ich kochte Kaffee und schaute der Sonne dabei zu, wie sie langsam über den Horizont stieg. Für genau solche Momente mache ich das. Es war vielleicht 6:00 in der Früh, als ich mich auf den Weg machte, bestärkt von diesem wunderschönen, ruhigen und erdenen Morgen.
Ich kam nach Handeloh, wo noch alles schlief und weiter ins Seevetal. Es wirkte ein weenig wie im Urwald. Alles gränte, die Seeve plätscherte leicht, Mücken summten durch die Gegend und wieder viele umgestürzte Bäume. Am Ende des Waldes zwang mich mein schwerer Rucksack wieder zu einer Pause. Da ich früh genug los gewandert bin, machte ich mir keine Sorgen, mein Tagesziel zu erreichen. Insgeheim dachte ich schon daran, nicht mehr bis Soltau zu wandern. Diese Entscheidung ging vermutlich von Anfang an mit, ich bereute sie aber zu keinem Zeitpunkt. An der nächsten Stempelstelle, einem Restaurant wollte ich noch meine Wasservorräte auffüllen.
Es war kurz vor Mittag und die Sonne brannte. Theoretisch muss man für
Leitungswasser! dort 2€ bezahlen, aber die nette Bedienung ließ mich kostenlos meine Flasche auffüllen. Ich bedankte mich mit einem Lächeln und machte mich auf in den nächsten Heideabschnitt; Hitze, Weite und endlich etwas Wind. 15km waren geschafft und es war noch nicht mal 12:00. Ich machte also Mittagspause mit Nüssen und einem Nickerchen, bis der Schatten von meiner Bank verschwand. Noch 6km lagen vor mir bis zu meinem Tagesziel Undeloh. Das waren lange 6km. Immer wieder Anfälle von keiner Lust mehr, Rückenschmerzen, Pausen an Baumstapeln und noch mehr Willensstärke. In Undeloh angelangt dann die Belohnung: Erdbeerkuchen und ein kaltes Radler.
Gut gestärkt war auch die Motivation wieder da. Alles was ich heute noch lief, war Bonus. Bispingen ist schon mit 30km angeschlagen, mein neues Ziel der Tour. Noch zwei Tage, mit mehr Pausen als laufen. Ich machte noch ein paar Pausen unter schattigen Bäumen und genoss die Landschaft und die Blicke der vorbeilaufenden Menschen.
Mein Nachtlager schlug ich an einer Weggabelung auf, da ich im Naturschutzgebiet war, wollte ich ungern weiter in die Natur hinein als nötig. Neben mir wiehrten Wildpferde auf einer Koppel und ein paar Touristen radelten noch an mir vorbei, als ich mir wieder meine Nudeln kochte. Die Sonne ging unter und ich baute mein Zelt auf. Ein Bauer fuhr noch mit seinem Trecker an mir vorbei. Entweder sah er mich nicht oder er ignorierte, dass ich dort nächtigte.
Nach dieser Nacht wollte ich am liebsten gar nicht aufstehen. Aber aufgrund der Lage blieb mir nichts anderes übrig, als schnell mein Zelt einzupacken. Den morgendlichen Kaffee trank ich neben den grasenden Pferden, welch nette Gesellschaft.
Nach circa einer Stunde durch die morgendliche Hitze der Heide erreichte ich Wilsede. Ein kleines Heidedorf. Von dort ging es auf die höchste Erhebung, den Wilsederberg (169m). Von dort "oben" gab es einen schönen Überblick über die Weite braune Heide (in Lila bestimmt wunderschön). Die Sonnenenergie nutze ich, um mein Handy zu laden und lief weiter dem Tagesziel Niederhaverbeck entgegen. Gegen Mittag kam ich dort an. Und was soll ich sagen, inzwischen schmerzten meine Füße mehr als mein Rücken. Da ich mein Ziel erreicht hatte, konnte ich ganz entspannt weiterlaufen. Mit Nickerchen unter Tannen und dem Lauschen der Natur und Touristen. Ich lief bis in die Behringerheide.

Da der Himmel ziemlich bewölkt war, schaute ich mich nach überdachten Möglichkeiten zum Schlafen um, was in der Heide eher schwierig ist. Bis auf den ein oder anderen Schafstall gibt es nichts.
Es wurde Zeit zum Abendessen. Die letzte Portion Nudeln. Während ich aß, gesellte sich ein Herr zu mir und wir sprachen einige Zeit so intensiv miteinander, dass ich das Essen ganz vergas, nebenbei nieselte es leicht. Aber das war egal.
Nach fast zwei Stunden machte ich mich auf die Suche nach einem Baum mit dichter Krone, unter dem ich mein Zelt aufbaute. Meinen Rucksack ließ ich diese Nacht gepackt, nur Regencape und Stirnlampe holte ich raus, für den Fall, dass es schlimmer regnen würde.
Naja und es musste natürlich so kommen. Gegen halb eins wurde ich wach. Kleine Wasserfälle liefen an der Kopfseite in mein Zelt. Ich checkte kurz die Lage; die Decke tropfte nicht, das war schonmal gut. Aber meine Isomatte und der Schlafsack waren nass. Das Wasser kam durch einen Luftschlitz an der Seite des Zeltes, welchen ich aus Unwissenheit am Abend zuvor natürlich nicht verschlossen hatte. Selbst Schuld. Der Regen prasselte weiter auf mein Zelt ein. Ich wusste, ich habe zwei Möglichkeiten. 1. das ganze aussitzen und hoffen, dass ich nicht komplett absaufe. 2. Das Zelt stehen lassen, meinen Rucksack schnappen und zu einem nahegelegenen Schafstall flüchten. Ich entschied mich für die erste Möglichkeit, solange es noch kein Gewitter gab. Drehte meine Isomatte um und versuchte es mir nochmal halbwegs bequem zu machen und etwas Schlaf zu bekommen. Zum Glück gab es kein Gewitter in der Nacht. Ich packte meine halb nassen Sachen ein und freute mich, dass es der letzte Tag war. Wäre ich in der Nacht zum Schafstall gegangen, hätte ich vermutlich nicht den Weg gefunden. Aussitzen war also die richtige Lösung.
Jetzt nur noch 11km bis Bispingen. Nach 3km kam ich nach Behringen. In einer überdachten kleinen Hütte im Stadtpark frühstückte ich zunächst, bevor es weiterging. Der Himmel war wolkenverhangen und ich war mir nicht sicher, ob ich nochmal nass werden würde. Nach den letzten Kilometern kam ich erleichtert, aber auch etwas fertig in Bispingen an. Ich holte mir noch meinen letzten Stempel und die bronzene Wandernadel.
In dem Hotel fragte ich auch gleich, wann der nächste Bus ins 10km entfernte Soltau fahren würde, es war schließlich erst mittags und ich konnte Google nicht glauben, dass erst um 17:00 einer fahren würde. Naja, so war es aber, vieleicht fuhr er auch gar nicht. Nahverkehr gibt es sonst nicht. Also stand ich wieder vor einer Wahl. 1. ich warte 5 Stunden und hoffe, dass der Bus kommt 2. ich laufe nochmal 10km bis Soltau (auf beide hatte ich wenig Lust) 3. ich versuche mich im Trampen.
In Anbetracht meiner Abenteuerlust nahm ich mein Notizheft, schrieb in großen Buchstaben "Soltau" rauf und setzte mich an die Straße. Einige Autos hupten, andere warfen mir missbiligende Blicke zu. Dann hupte es hinter mir. Jemand hatte gehalten. Eine Frau mit ihrer Tochter, die etwa in meinem Alter war. Sie nahmen mich mit bis zum Bahnhof. Nebenbei schaute die Tochter schon, wann die nächste Bahn fuhr und sie erzählten mir, dass sie auch schon ein paar Etappen auf dem Heidschnuckenweg gewandert sind.
Manchmal muss man einfach Glück haben. Ich war den beide super dankbar. Kaum am Bahnhof angekommen, kam auch schon der Zug Richtung Hamburg und nach Hause. Ich hab mich lange nicht mehr so über eine Dusche gefreut, wie nach diesen 5 Tagen.

Ich weiß, dass ich wiederkommen werde. Aber nächstes Mal zur Heideblüte, mit weniger Gepäck und mehr Zeit zum Genießen. Die nächsten Pläne zum Fernwandern werden auch schon geschmiedet.
Unterwegs traf ich immer wieder neugierige Menschen und andere Fernwanderer. Manche beäugten mich nur neugierig, andere stellt auch fragen oder es entstand das ein oder andere längere Gespräch. Mein Highlight war eine alte Dame am zweiten Tag. Sie sagte; ich sei sehr mutig und sprach mir Gottes Segen für meinen Weg zu. Dieser hat mich mit Sicherheit das ein oder andere Mal beschützt.

Auch ein knapp zwei stündiges Gespräch mit einem Herren übers Reisen, Gott und Lebenswege war so vertraut und gewinnbringend für mich.
So fand ich auf dieser Reise etwas, wonach ich gar nicht gesucht hatte. Mich selbst! Ich weiß nun, was mir wichtig ist, mir Kraft gibt und vor allem, wer ich bin!


















































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